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Vom Zauber und der Last des Anfangs eine Architektin zu werden

Mit Lichtgeschwindigkeit aus der eigenen Komfortzone

Als Voraussetzung für mein Architektur Studium habe ich ein vierwöchiges Baustellen Praktikum absolvieren müssen. Ich fand einen Platz bei der Firma Sägezahn. Ich begann das Praktikum sehr arglos und gespannt mit wenig bis gar keinen Vorkenntnissen. Bis dahin war eine Baustelle für mich noch sehr unbekanntes Terrain und um maschinelle Werkzeuge habe ich einen möglichst großen Bogen gemacht. Von meinem Bruder, der schon einige Zeit für die Firma Sägezahn gearbeitete hatte wusste ich, dass ich mich auf harte körperliche Arbeit gefasst machen konnte.

Die Baustelle, eine unbekannte Galaxie

Wie es so oft im Leben ist erfüllte die Arbeit alles was ich mir so über Baustellenarbeit vorgestellt hatte und war doch gleichzeitig ganz anders. Ich erinnere mich daran als auf dem Gelände meiner Schule ein neues Gebäude errichtet wurde, einmal eine Freundin zu mir sagte: "Ist das nicht die schlimmste Arbeit die du dir vorstellen kannst?", und ich muss zugeben dass ich ihr, als ich die Bauarbeiter dabei beobachtete, wie sie im Matsch mit riesigen, lauten Maschinen hantierten, aus ganzem Herzen Recht gab.

Schlimmer geht´s immer!

Diese laute, anstrengende, dreckige Arbeit in Hitze, Nässe oder Kälte zeigte sich tatsächlich als die größte Herausforderung während des Praktikums. Trotz der vielen Hilfsmittel ist die Arbeit auf einer Baustelle harte körperliche Arbeit. So ziemlich jeden Tag gelangte ich an meine physischen Grenzen. Allerdings lernte ich so zum ersten Mal wozu ich eigentlich fähig bin. Regelmäßig wurden mir Aufgaben aufgetragen von denen ich vorher dachte: "Das schaffe ich nie!" Als ich dann aber notgedrungen dennoch mein bestes gab konnte ich oft feststellen, dass ich es doch schaffe. Das gab mir dann allerdings keinen Grund allzu stolz auf mich zu sein; wenn ich beobachtete mit welcher Leichtigkeit die anderen die Dinge erledigten die für mich nur durch größtmöglichen Kraftaufwand ausführbar waren, da hätte ich dann manchmal am liebsten geweint. Trotzdem durfte ich lernen, dass in meinen dünnen Ärmchen viel mehr Kraft steckt als ich bis dahin geglaubt hatte.

Handwerk ist angewandte Kreativität

Sehr beeindruckend fand ich die Flexibilität der Handwerker bei jedem Arbeitsschritt.

Obwohl die vier Wochen sehr leerreich für mich waren und ich auch über die Arbeiten an denen ich beteiligt war hinaus viele zusätzliche Informationen erhielt, habe ich das Gefühl nur einen sehr kleinen Bruchteil der Arbeiten auf dem Bau kennengelernt zu haben. Das liegt wahrscheinlich daran, dass jedes Haus sehr individuell ist und deswegen auch individuell gearbeitet werden muss. Bei der Vielfalt an Materialien und Formen die beim Hausbau zu Verfügung stehen ist es wahrscheinlich unmöglich verschiedene Häuser mit den immer gleichen Arbeitsschritten zu bauen. Natürlich gab es auch einige Arbeiten die den Handwerkern bekannt sind und die sich in jedem Haus ähneln, allerdings bekam ich häufig mit, wie flexibel die Handwerker mit einzelnen Arbeitsschritten umgehen. Oft wurde überlegt wie eine bestimmte Arbeit jetzt am effizientesten erledigt werden konnte, sodass in möglichst kurzer Zeit ein möglichst schönes Ergebnis entsteht. Dabei hatte ich mehr und mehr das Gefühl, dass auf einer Baustelle alles möglich ist. Man hat die Werkzeuge, um jedes beliebige Material entsprechend zu bearbeiten und die Möglichkeit sich kleine Hilfsmittel zu entwerfen und zu bauen.

Nachher ist man immer klüger

Das Praktikum ist vor allem jetzt im Nachhinein sehr viel nützlicher als ich gedacht hätte. Alles was ich über Dämmung, Fugen und verschiedenen Materialien während des Praktikums gelernt hab entpuppt sich schon im ersten Semester meines Studiums als extrem hilfreich. Wenn wir in den Vorlesungen von verschiedenen Baustoffen oder Bauarten hören ist die praktische Erfahrung die ich mit dem einen oder anderen Material sammeln konnte, oder die Arbeitsschritte die ich ausführen oder beobachten durfte, extrem wertvoll. Es fällt mir so leichter die Relevanz des Stoffes zu verstehen und ermöglicht es mir erst die Beispiele an denen wir lernen mit der Realität zu verbinden. Ich bin unglaublich dankbar für alles das mir während dem Praktikum erklärt, beschrieben und erläutert wurde.

Warum der Feierabend Feierabend heißt

Das schönste an dieser Art von Arbeit ist jedoch das Resultat. Es gibt wohl nichts Befriedigenderes als am Ende des Tages das Ergebnis seiner Mühen vor sich zu sehen. Egal wie anstrengend es war, wie viele Umwege man nehmen und Probleme lösen musste, am Ende des Tages sieht man direkt vor sich was man geschafft hat und das so unmittelbar wie bei keiner anderen Form von Arbeit die ich bis dahin gemacht hatte.

Warum müssen manchmal besser ist als wollen.

Alles in allem ist es mit der Baustellenarbeit für mich wohl ähnlich wie mit Klassikern. Das sind Bücher die jeder gelesen haben will, aber man möchte sie nicht lesen. Die Arbeit während dem Praktikum ist eine Arbeit die ich nicht gern tue, aber ich bin unglaublich froh sie gemacht zu haben.

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