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Warum ein Haus nicht atmen kann


Dem einen oder anderen scheint die Aussage an sich schon verquer. Er sitzt staunend und grübelnd vor derlei Worten. Warum denn atmen? Muss es das denn? Das Haus? Der neugierige Leser fängt an sich um zu tun, sich des Themas anzunehmen und siehe da, schon findet er die ersten Hinweise: „Keinesfalls ein Haus zu dicht machen!“ heißt es in einschlägigen Foren. Also doch! Zu dicht heißt nicht mehr atmen können! Sieht man´s doch bei Müllers zwei Straßen weiter ganz deutlich. Was war passiert? Hr. Müller störte sich, und wer mag´s ihm verdenken, zunehmend an den steigenden Heizkosten, die Jahr für Jahr das Haushaltsbudget mehr belasten. Und so wie viele andere Müller´s und Maier´s hierzulande versucht Herr Müller der Lage durch ein Wärmedämmverbundsystem, also der Dämmung seines Hauses, Herr zu werden. Soweit so gut. Richtig pikant wird es aber erst, als Herr Müller schon nach ein paar Wochen des warmen Wohnens im neu gedämmten Haus die ersten verdächtigen Schimmelstellen entdeckt. Sichtbar sind sie vor allem an den Außenecken des Gebäudes, hinter dem Schlafzimmerschrank und im Sockelbereich der auskragenden Balkonplatte. Spätestens da kommen die ersten bösen Ahnungen auf. Wir haben unser Haus zu dicht gemacht, es kann nicht mehr atmen. Heizkosten hin oder her!

Lieber Leser, liebe Leserin, bis hierhin hätte diese Geschichte die Grundlage für eine lebhafte Stammtischdiskussion sein können. Hier finden sich Spezialisten rund um Fragen zu Politik, Wirtschaft und Soziales. Natürlich darf der Stammtischbaufachmann auch nicht fehlen. Hätte Herr Müller ihn doch nur vorher gefragt, er hat das ja alles schon kommen sehen! So auch in diesem Fall, Herr Müller ist da selbst schuld. Es weiß doch jedes Kind: Ein Haus muss atmen können! Macht man es zu dicht, aus die Maus und rein der Schimmel!

Lieber Leser wussten Sie´s etwa nicht?

Zu derlei Schlussfolgerungen kommen die Herren vom Stammtisch unter Umständen recht schnell, es wird nach dem deskriptiven Prinzip verfahren. Der Sachverhalt kann klar beschrieben werden, da für jedermann sichtbar. Der Fehler dabei: Zu glauben die Ursache des Missstandes gefunden zu haben, ihn anhand des konkreten Beispiels belegen und diese Erkentnisse auch noch auf alle weiteren Fälle anwenden zu können.

Möchten Sie vielleicht wissen, dass es zu dieser Geschichte noch ein paar klitzekleine, wenn auch folgenreiche Details gibt, die der allwissende Stammtischfachmann schlichtweg unter den Teppich gekehrt hat? Böse Zungen mögen ja behaupten es läge daran, dass es sich hierbei gar nicht um Fachleute handle. Dem möchte ich mich allerdings nicht uneingeschränkt anschließen, denn die Erfahrung lehrt, dass selbst in Fachkreisen, gemeint sind hier handwerkliche Fachkreise, verdrehte und unvollständige Anekdoten dieser Art weitertragen und mit Tunnelblick bewertet werden. In beiden Fällen liegt es wohl eher daran, nur einen Teilaspekt der ganzen Problematik betrachtet zu haben. In der Wissenschaft nennt man so etwas Modellbildung. Das Modell findet immer dann Anwendung, wenn aufgrund der Faktorenvielfalt zu große Unübersichtlichkeit zu entstehen droht. Also es schwierig wird, bei einer zu großen Anzahl von Einflussfaktoren herauszufinden, welcher Faktor das Ergebnis wie stark beeinflusst.

Was also tun? Wie bekommen wir die Kuh vom Eis?

Am besten erst mal einen Tee oder ein Bierchen trinken und nachdenken. Wir denken kreuz und quer, rauf und runter und merken alsbald, ohne Vereinfachung läuft die Sache nicht! Wir beschränken und also auf die wichtigsten Faktoren, Kosteneinsparpotential durch geeignete Maßnahmen, also durch Wärmedämmung. Weiß man doch zu gut, je dicker die Socke desto wärmer der Fuß. Hier hebt aber schon der erste Stammtischbaufachmann warnend den Finger, er weist darauf hin: „Auf die Socke kommt es an! Ja nicht zu dicht, sonst gibt’s Schweißfüße und wer will das schon?“

Was bedeutet das nun für das Müller´sche Haus, oder was für unsere Methode der vereinfachenden Modellbildung? Offenbar haben wir nicht alle beeinflussenden Faktoren berücksichtigt. Nur Aspekte wie Kostenersparnis und Wärmedämmung waren nicht ausreichend. Ein Modell soll immer einen realistischen Ausschnitt der Wirklichkeit wiedergeben, in diesem Fall war, sozusagen, der Ausschnitt etwas zu eng gewählt. Hier müssen also weitere Komponenten Berücksichtigung finden. Welches sind diese Faktoren denn? Zu den üblichen Verdächtigen zählen natürlich die Wärmebrücken, die es zu eliminieren gilt. Außerdem benötigt jedes energieoptimierte Haus ein Lüftungskonzept. Gemeint ist eine Lüftungsanlage oder Einzellüfter, die gewährleisten, dass die Luftwechselrate im Haus hoch genug ist, um die feuchte Luft hinaus zu transportieren. Auch ist auf die geeignete Materialauswahl zu achten, vor allem bei Sanierungen und beim Massivbau, raten wir dringend zum Einsatz von mineralischen Putzen und Farben. Unter Umständen sogar zu calciumsilikathaltigen, hochsorptiven Innendämmplatten. Last but not least sorgt ein erfahrener Planer für eine entsprechende Umsetzung des Energiekonzeptes am Bau und kontrolliert die Kosten.

Fazit also: Ein Haus kann niemals atmen (es „zieht“ höchstens durch alle Ritzen), konnte es auch nie und deswegen kann man es dieser Fähigkeit auch nicht berauben. Aber ein Haus hat, je nach Dichtigkeit, die Fähigkeit wertvolle Wärme im Haus zu behalten oder bei entsprechender Undichtigkeit die Wärme an die Umwelt abzugeben. Wird die Dichtigkeit der Gebäudehülle erhöht, was aus ökologischen Gründen durchaus Sinn macht, so muss ein Gesamtkonzept erarbeitet werden.

Die Vermeidung von Schimmel und Feuchteschäden, sowie schlechte Raumluft steht und fällt mit der Integration eines Lüftungskonzeptes. Dies gilt natürlich nicht nur für zu sanierenden Bestandsimmobilien, sondern für alle Neubauten wie Niedrigenergiehäuser und Passivhäuser. Kurzum für alle Bauwerke die den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EneV) entsprechen. Lesen Sie mehr dazu hier.

Sie mögen mich entschuldigen, Ich muss los. Ich arbeite nebenberuflich Undercover beim hiesigen Stammtisch.


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